Wenn Worte nicht ausreichen
Schüler des Wilhelm-Diess-Gymnasiums organisierten Ausstellung zum Holocaust
Homeschooling ist nichts anderes als ein Wort für Sommerferien? Zumindest versuchen die Nachrichten uns diesen Eindruck zu vermitteln. In der Realität sieht es vielerorts anders aus. „Endlich dürfen wir aufbauen!“ hieß es kürzlich in den Klassen 9a und 9d des Wilhelm-Diess-Gymnasiums Pocking. Die 44 Schülerinnen und Schüler haben in der Zeit des Lockdowns eine ganz besondere Ausstellung zum Thema Holocaust erarbeitet.
Gemeinsam mit ihrer Geschichtslehrerin, Studienrätin Ulrike Karl, stellten sie sich die Frage, welche Rolle Lieder und Gedichte in Konzentrationslagern spielten. Kaum jemand weiß, dass nahezu alle Konzentrationslager ein eigenes Häftlingsorchester hatten, das zur Darstellung des scheinbar menschlichen Lagerlebens nach außen beitragen sollte. Die Mitgliedschaft in solchen Orchestern bot den Häftlingen oft höheren Schutz und etwas bessere Haftbedingungen. Diese Besonderheit wollten die Schüler anhand des Themas „Das Mädchenorchester von Ausschwitz“ darstellen.
Musik konnte sowohl ein Zeichen des Widerstands als auch der Folter sein. Diese ambivalente Funktionalisierung von Musik durch Unterdrückte und Unterdrücker gleichermaßen versuchten die Schüler/innen anhand von Liedbeispielen und Gedichten einzufangen. Die Themen reichten von „Die Moorsoldaten“, dem wohl bekanntesten Häftlingslied, über Ilse Webers Wiegenlied „Wiegala“ hin zu Volksliedern wie „Alle Vöglein sind schon da“, das die SS-Wachleute gerne stundenlang bei strömendem Regen auf dem Appellplatz singen ließen.
Natürlich wäre es falsch, das Leben und Leiden in Konzentrationslagern hauptsächlich mit Musik in Verbindung zu bringen. Daher entschied sich die Lehrkraft dafür, dass eine Klasse sich zentralen Themen, wie z. B. dem „Arbeitsalltag in KZs“, der „Anzahl, Art und Lage von Konzentrationslagern“ oder dem „Kontakt zur Außenwelt“ widmen sollte.
Die Vorgabe lautete: Wenn Worte nicht ausreichen – fertigt ein Bild oder ein Objekt an, das in euren Augen die Botschaft eures Themas bestmöglich zum Ausdruck bringt. Gerade für die Themen rund um Musik und Dichtung ist es so wichtig, sich auf eine emotionale Ebene einzulassen und eine ganz persönliche Interpretation der Zeilen für sich zu finden.
Eintauchen, nachempfinden, Empathie entwickeln – eine Chance, die sich in einem zweistündigen Fach wie Geschichte nicht so oft bietet. Umso gespannter war die Lehrerin auf die Ergebnisse.
Durch Wechselunterricht und Lockdown wurde schnell klar, dass das Projekt nicht wie geplant an der Schule durchgeführt werden konnte. „Ich hatte meine Bedenken, ob unsere eineinhalbwöchige Einführungsphase ausreichen würde, um das Projekt zu Hause umsetzen zu können,“ gibt Ulrike Karl zu. Diese Bedenken erwiesen sich als grundlos.
Während der Ferien und im Online-Unterricht erreichten sie immer wieder Bilder und E-Mails, die sie nach eigenen Worten zum Staunen brachten. Beinahe jedes Team kam, trotz geschlossener Geschäfte und erschwerter Bedingungen, auf ganz individuelle und kreative Darstellungsmöglichkeiten. Viele Gruppen haben hier auf einem Niveau gearbeitet, das es verdient gezeigt zu werden. Dieser Wunsch hat sich erfüllt. Die Ausstellung wurde in der Aula des Gymnasiums aufgebaut und kann von allen Mitgliedern der Schulfamilie besichtigt werden.
(PNP vom 10.07.2021)